Unerschrockene Männer und Frauen in Eckernförde

Als der gefeierte Autor, Feuilletonist und Reiseschriftsteller, Théophile Gautier – einer der führenden Köpfe der romantischen Bewegung in Frankreich – von der Redaktion der Zeitung „Le Moniteur universel“ den Auftrag erhielt, einen Bericht über die Kunstschätze des Zaren in St. Petersburg zu schreiben, machte er auf der Reise dorthin einen Umweg, der ihn 1858 nach Eckernförde führte. In seiner Reisebeschreibung „Voyage en Russie“, die seit Oktober 1858 in einer Folge von Vorabdrucken im offiziellen Staatsanzeiger Frankreichs erschien, ist bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Er schreibt über einen Ausflug, den er Ende September 1858 in Begleitung einer Freundin in diese kleine Stadt machte:

„Der Weg führte durch Hecken, die mit bunten Beeren in allen Farben behangen waren, Brombeeren, Vogelbeeren, Schlehen, Berberitzen, ganz zu schweigen von den hübschen Korallenknospen, die die Heckenrosen überdauern und die man mit einem ebenso unanständigen wie lächerlichen Namen (frz. gratte-cul = Arschkratze) zu bezeichnen pflegt. Es war bezaubernd.

Dann fuhren wir zwischen hohen Bäumen hindurch, vorbei an kleinen Dörfern oder über Felder, auf denen prächtige Pferdegespanne die Felder kreisend mit der Egge bearbeiteten, als wollten sie die Erde moiréartig auflockern. Schließlich gelangten wir ans Meer, auf einer Straße, an der auf einer Seite elegante, halb in Blumen versteckte kleine Häuser standen, die während der Saison an Badegäste vermietet werden, denn Eckernförde ist trotz seines ziemlich nördlichen Breitengrades ein Seebad wie Trouville oder Dieppe. Die über den Strand verteilten Karren und Badehütten zeugten von unerschrockenen Männern und Frauen, die sich nicht davor scheuten, sich den Anfechtungen der eisigen Wellen auszusetzen. Einige Handelsschiffe schaukelten im Hafen, und an ihren Seiten trieben, sich zusammenziehend und ausdehnend, viele dieser schleimigen oder perlmuttfarbenen Quallen, die Tiere sind, obwohl sie nicht so aussehen, und die wir einmal im Golf von Lepanto auf dem Rückweg von Korinth bemerkt hatten, „wo es jedermann verboten ist hinzugehen“, wie es sprichwörtlich heißt.

Eckernförde unterscheidet sich in der Architektur nicht sehr von Schleswig, abgesehen davon, dass die Schiffsmasten, die sich mit den Bäumen und Schornsteinen mischen, jeder Stadt einen Stempel aufdrücken. Es sind die gleichen Backsteinkirchen, die gleichen Häuser mit breiten Querfenstern, wo man hinter Blumentöpfen Frauen mit ausgeschnittenen Kleidern sehen kann, die mit Nadeln hantieren. In den sonst eher ruhigen Straßen von Eckernförde herrschte indes ein ungewöhnliches Treiben; schwere Karren brachten die halbjährlich eintreffenden oder entlassenen Soldaten in ihre jeweiligen Heimatorte. Obwohl sie ziemlich unbequem zusammengepfercht waren, schienen sie von der Feierlaune und vielleicht auch vom Bier angeheitert zu sein.“

Am Samstag, dem 2. Dezember, präsentiert Norbert Weber im Rahmen der Marktnachlese um 12:30 Uhr Einzelheiten zu Gautiers Reise. Anschließend gibt es für die Stipendiatinnen und alle, die ein Auto haben, einen Reality-Check entlang des Wegs zu dem Haus, in dem Gautier damals wohnte. Es ist auch möglich um 13:00 Uhr mit dem Bus 711 in 14 Minuten das Ziel zu erreichen. Anmeldungen zur Fahrt erbeten unter norbert.weber@otte1.org