Der Teller des Hassan bin Omari – Ein Fall von kolonialer Raubkunst

„Nach dem Markt“ ein Beitrag von Rainer Beuthel am Samstag, 13.04.2024 um 12:30 Uhr

Im Zeitraum zwischen 1884 und 1918, den Jahren deutscher Kolonialherrschaft in den so genannten überseeischen Schutzgebieten, wurden im Zuge einer regelrechten Sammelwut zehntausende Objekte indigener Kulturen in deutsche Museen verbracht, hauptsächlich in das Berliner Museum für Völkerkunde.

Kolonialbeamte, Offiziere der „Schutztruppen“, Missionare und Handelsreisende wurden von staatlicher Seite aufgefordert, einen Beitrag zur „Bewahrung“ dessen zu leisten, was zugleich als wild und rückständig zu gelten hatte und angeblich dem Untergang geweiht war. Was vor Ort in seinem Bestand bedroht war, sollte daheim in der Metropole archiviert werden, um es zu „retten“. Bis heute lagern viele Gegenstände in Depots, ohne jemals öffentlich gezeigt worden zu sein; vieles wurde fachlich unzureichend archiviert, seine Bedeutung nicht verstanden.

Im Rahmen zunehmender Provenienzforschungen stellt sich immer drängender die Frage, wie mit diesen Objekten zukünftig zu verfahren ist: sollen sie in die Ursprungsländer zurückgeführt werden oder hierzulande erstmals oder anders als bisher präsentiert werden?

Eine Gruppe aus deutschen und tansanischen Wissenschaftler*innen („Humboldt Lab Tanzania“) erforscht seit 2016 eine Auswahl von Objekten, die heute einen Teil der Sammlungen des Berliner Ethnologischen Museum bilden. Die Ergebnisse liegen jetzt in Buchform vor.

Einer dieser Gegenstände ist ein durch einen deutschen Kolonialoffizier nach Berlin gebrachter Messingteller. Er wurde in Berlin museal fälschlicherweise als „gongartiges Musikinstrument aus Messing mit anscheinend sinnlosen Zauberformeln in arabischer Schrift“ verzeichnet. Tatsächlich enthält die eingravierte Inschrift ein in arabischer Schrift verfaßtes Gebet aus dem Koran, das zum Widerstand gegen die koloniale Fremdherrschaft auffordert. Der ehemalige Besitzer des Tellers, Hassan bin Omari, wurde 1895 von den Deutschen mit einer Reihe anderer Aufständischer hingerichtet.

Rainer Beuthel, der sich seit vielen Jahren mit der Kolonialgeschichte Deutsch-Ostafrikas befaßt, erläutert die historischen Ereignisse und seine Folgen bis heute.

Bild: ©Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Frankfurt am Main