Rot hinterlässt keine Spuren

Mein Vater pflegte zu sagen, dass der Himmel dieselbe Farbe hat, wo immer man hingeht. Als Kind habe ich darunter die Vorstellung von Gleichheit verstanden. Ich habe geglaubt, dass Menschen unter demselben Himmel leben, egal wo sie wohnen oder wo sie geboren sind. Später habe ich herausgefunden, dass der Himmel verschiedene Farben haben konnte. Einige Leute leben unter einem roten Himmel. Sie werden in Armut, Ungerechtigkeit, Unfreiheit, Krieg und Blut geboren. Sie werden in Rot geboren.

Um den blauen Himmel zu finden, müssen sie alles, was sie haben, aufgeben und ihr Leben auf dem Meer riskieren. Die Wellen sind hoch. Die See ist rau und die Reise lang. Einige schaffen es, die Küste auf der anderen Seite zu erreichen. Aber das Land unter dem blauen Himmel ist für rote Menschen verboten. Sie dürfen es nicht betreten.

Die roten Menschen bleiben an der Küste. Keine Hoffnung auf Zukunft, kein Weg zurück. Der Wind verweht ihre Spuren. Es gibt keine Spur von Rot mehr an der blauen See unter dem blauen Himmel.

Abertausende überqueren das Mittelmeer, um nach Europa zu kommen auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Verfolgung. Viele Menschen ertrinken dabei oder werden auf See vermisst und diejenigen, die es schaffen, müssen als Asylsuchende unter schlimmen Bedingungen lange Zeit in Lagern ausharren. Es ist eine menschliche Tragödie.

Ich kleide mich rot und nehme mein rotes Gepäck. Ich gehe zur Küste und ziehe mein Gepäck am Ufer entlang. Ich versuche, für einige Stunden nachzuvollziehen, was die roten Menschen durchmachen, wenn sie ihr ganzes Leben zusammenpacken auf der Suche nach einer glücklichen Zukunft.

Sana Ghobbeh
Rot hinterlässt keine Spuren
Performance am 26. August 2015, 14:00-16:00
Entlang dem Kurstrand von Eckernförde

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